Samstag, 27. August 2011

Überfahrt KRETA - MALTA 27.08. - 31.08.2011

Um 21.38h am Mittwoch, 31.08., betreten wir maltesischen Boden - 545 Seemeilen (1009 km) haben wir in 99 Stunden zurück gelegt.

Leinen los heißt es um 19.35h am Samstag, 27.08., in Kreta-Chania. Die Wettervorhersage für die nächsten 3 Tage lautet Wind aus Nordwest und West, 2-5 Beaufort. Ein update der Wetterlage und -vorhersage während der Reise soll uns möglich sein per NAVTEX und SailMail / Pactor.

NAVTEX arbeitet auf einer Mittelwellenfrequenz, Reichweite ca. 350-400 Seemeilen, und ermöglicht den Empfang von Textnachrichten mit z.B. Navigations- und Wetterwarnungen und Wettervorhersagen. Die Wetterberichte beziehen sich jedoch auf relative große Seegebiete, z.B. "Südionisches Meer". Heißt es dort "westliche Winde", so kann lokal dieser Wind aus Südwest oder auch aus Nordwest wehen - für einen Segler, und uns, macht dies einen großen Unterschied.

Mit unserem Kurzwellenfunkgerät, weltweite Reichweite, und dem angeschlossenen PACTOR-Modem, können wir über Funk, mittels SailMail und laptop, e-mails empfangen und senden sowie Wetterdaten z.B. als GRIB-Datei abrufen. Grib-Dateien stellen für das ausgewählte Seegebiet u.a. die zu erwartende Windrichtung und -stärke recht detailliert dar und sind gute Entscheidungshilfe.

Die ersten 16 Stunden läuft es gut. Wind 2-3 Bft., zunächst Nordwest, später sogar auf Nord-Nordost drehend. Wir hätten direkten Kurs auf Malta nehmen können. Da ich für später jedoch eine ausgeprägte westliche Komponente in der Windrichtung erwarte, setzen wir den Kurs weiter nördlich fest, um Höhe zu gewinnen. Zeitweise können wir sogar den Gennaker setzen, sehr wertvoll in den Schwachwindphasen mit 2 Bft.. Das erste Etmal (= Strecke in 24 Stunden) ist mit 131 Seemeilen nicht schlecht.

unter Gennaker
Sonnenuntergänge wie gemalt

Wir ersegeln uns 30 Seemeilen Höhe gegenüber dem direkten Kurs - später werden wir sie gut gebrauchen können. Den Motor nutzen wir grundsätzlich dann, der Kurs ein Mix aus "Strecke machen" und leicht "Höhe gewinnen", wenn der Wind sehr schwach ist oder aber schwacher Wind direkt auf die Nase weht und eine Kreuz unter Segeln wenig sinnvoll macht.
Ferner ist als Plan B festgelegt, ggf. nach Südost-Sizilien auszuweichen. Dies ginge bei dieser Taktik und ist auch immer wieder Gesprächsthema zwischen uns. "Pizza wäre auch ok." Schön, dass wir eine solche Freiheit haben.

Es ist Neumond, auch während der folgenden 3 Nächte. Die Nacht tiefschwarz. Nur die Milchstrasse wirft schwaches Licht. Für Nichtsegler: das Gefühl ist ein bißchen so, wie ohne Scheinwerfer mit dem Auto eine unbeleuchtete Landstrasse zu befahren.

In der Nacht vom 28. auf 29. tobt ein mächtiges Gewitter über dem südlichen Peleponnes, ca. 20 Seemeilen hinter uns. Blitze, die ins Meer einschlagen, der Himmel durch die Blitze erleuchtet bis zum Horizont. Gewaltig. Ich peile immer wieder sorgfältig die Zugrichtung - es bleibt hinter uns, Erleichterung.

Phasen von motoren und segeln am Wind (überwiegend, ca. 60%) wechseln sich ab. In der Nacht vom 29. auf den 30. dann endlich einmal 4 Windstärken - jetzt zählt's, hier können wir gute Seemeilen gen Malta machen. Konzentriert bleiben während unserer jeweiligen Nachtwachen Canan und ich hoch am Wind, der aus West-Nordwest bis Nordwest kommt. Jede Bö wird zum Anluven ausgenutzt. Dies erfordert permante Wachsamkeit und Bedienung des Autopiloten, es lohnt sich. Wir rauschen durch die Nacht, geben nur ca. 10 Seemeilen unserer zuvor gewonnen Höhe ab, und machen gut Strecke.

Tim's Ferien sind vorbei. Er hat am 30. die erste Unterichtsstunde der 5. Gymnasialklasse (Institut für Lernsysteme, Hamburg), mit Mathe geht es los. Der dresscode ist leger, eine Badehose oder ein Short wird aber schon erwartet. Ab sofort hat Tim nach Stundenplan 30 Wochenstunden Unterricht zu absolvieren.

Klassenzimmer auf See


Am Dienstag ab Mittag dann Schwachwind, 1-2 Bft. Wind aus West und West-Südwest - in die Richtung müssen wir. Leider funktioniert aus einem unerfindlichen Grund unser SailMail/Pactor nicht mehr. Einfach so, von einem Tag auf den anderen. Ärgerlich. Wir können keine Grib-Wetterdaten abrufen und auch ein e-mail unseres Freundes Stefan aus Hamm mit aktueller Wettervorhersage nicht. Immer wenn man mal wirklich etwas gut gebrauchen könnte....

Da ich auf Basis der veralteten Wetterdaten auch für Südost-Sizilien Schwachwind erwarte, ggf. auch Notwendigkeit zur Kreuz, ist die Entscheidung schnell getroffen - Dieseltank auffüllen und unter Motor direkten Kurs auf Malta-Valetta. 135 Seemeilen sind es noch. Wir motoren grundsätzlich nicht gern (langsamer, laut, weniger umweltfreundlich, teuer), aber kein Wind und der auch noch genau von vorn - das macht keinen Sinn, es sei denn, wir wollen noch 1 Woche auf See verbringen.

Wir bahnen uns am Mittwochnachmittag unseren Weg durch die zahlreichen Tanker und Frachter, ich zähle 55, die vor Malta vor Anker liegen. 10 Seemeilen vor Hafeneinfahrt Valetta (genauer: Marsamxett) melden wir uns per Funk, VHF Kanal 12, bei "Valetta Port Control" an. Sie nehmen es genau, wir müssen Positionsmeldungen noch zweimal abgeben und einige Fragen beantworten.

Unter den vielen Tanker auch wieder einer, den die NATO im Zusammenhang mit dem Libyen-Krieg und Embargo "an die Kette" gelegt hat. Wir hatten auch bei Kreta schon 2 Tanker gesehen, die im Status "not under command, waiting for orders" (Informationen kommen aus unserem AIS-System) mit 1/2 Knoten Fahrt ihre Kreise ziehen. Offensichtlich dürfen sie ein zugewiesenes Seegebiet nicht verlassen, verharren dort Tage oder vielleicht Wochen, im Kreis fahrend.

Das Radar erweist sich in Küstennähe wieder als sehr hilfreich. Es sind einige kleine Fischerboote unterwegs, die auf Sicht kaum auszumachen sind.

Nach Sonnenuntergang ist Valetta/Marsamxett erreicht, Kurs auf die Einfahrt zur MSIDA CREEK MARINA, vorbei an den mächtigen Burgen auf beiden Seiten.
Tim und Canan auf dem Vorschiff, Ausguck haltend. "Bist Du blind Sock?", ruft Tim, "Du krachst in die Stege". Tatsächlich, die hatte ich nicht gesehen. Schnelle Kursänderung nach Backbord. Die 2 Schwimmstege, direkt bei der Einfahrt zur Marina, sind neu, sehr schlecht beleuchtet, in den Handbüchern und auch in der elektronischen Seekarte nicht verzeichnet.

Um 21.38h sind wir fest an einer Mooring an der Mole für Gästelieger. Beindruckt von der umgebenden Kulisse öffnen wir unser kaltes Einlaufbier. 80% Luftfeuchtigkeit, sehr warm.

Tim hat die lange Reise vorbildlich gemeistert. Stets vergnügt, sehr viel gelesen, viel geschlafen, immer hungrig, voller Vorfreude auf MALTA. Toll Tim!




Montag, 22. August 2011

Kreta - Chania 22.08. - 27.08.2011

Am 22.08. um 09.00h trägt uns die 2 m hohe Dünung durch die umbrandete Einfahrt in den Hafen CHANIAS'. Tassos, der Marinero, reicht uns die Mooringleine, um 09.15h sind wir fest direkt an der Hafenmole im inneren Basin des venezianischen Hafens'. Position 35 31' 113 N, 024 01' 178 E.
146 Seemeilen, 26.5 Stunden liegen hinter uns. In der Nacht haben wir Heraklion, die größte und Hauptstadt Kretas', und (leider) Rethimnon, vielleicht die schönste Stadt der Insel, passiert.


Griechische Fregatte
Fliegender Haifisch
Chania, wir kommen...


CHANIA, mit ca. 60.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt, ist von grüner Landschaft umgeben, im Hinterland die bis zu 2400 m hohen Weißen Berge. Die oft schön renovierten venezianischen und türkischen Häuser in der großen Altstadt, die schmalen Gassen, der venezianische Hafen, die Vielzahl der Tavernen und Bars, geben der Stadt ein ganz besonderes Flair.  http://www.chania.gr/en

Wir liegen direkt an der Hafenpromenade, der Flaniermeile der Stadt. Die Tavernen, Discos und Bars, meistens chic und mondän, sind von 08.00h bis 04.00h geöffnet, es ist richtig was los. An dem Bug unserer Lime Light zieht, besonders am Abend, ein endloser Strom der internationalen, überwiegend eher jüngeren Touristen vorbei - Hafenkino. Auch unter Griechen scheint Kreta als Ferienziel sehr beliebt zu sein, wen wundert es, zudem weiß auch die einheimische Jugend das Leben zu genießen.

Nach kurzem Ausruhen, einer Dusche mit dem Wasserschlauch auf der Mole (quasi um Restaurant, Segler sind da schmerzfrei) und 2 Eiskaffee sind wir wieder fit und machen unseren ersten Bummel durch die Stadt. Wir lieben es, vielleicht ein bißchen zu voll (Hochsaison). Auch 100 Fotos könnten die ganz besondere Atmosphäre dieser Perle Kretas' nicht annähernd vermitteln.







Tim ist Papa geworden!
Mit 30,- Euro aus seiner Spardose in der Tasche und der Absicht, dafür 2 Fußballtrikots zu erstehen, schlendern wir über die Hafenmole. Ein Stand mit 2 jungen Mädels erweckt seine Aufmerksamkeit. "We can all live together" - es geht um Meeresschildkröten, Caretta caretta. Sie sind vom Aussterben bedroht - Zerstörung der Strände, an denen sie ihre Eier legen, irritierende künstliche Lichtquellen bei den Brutplätzen (die Schlüpflinge laufen angeboren Richtung Meeresglitzern, werden dadurch in tödliche Richtungen geleitet), Meeresverschmutzung, Fischernetze,....

Kreta, neben Zakynthos und dem Westpeleponnes, ist einer der wichtigsten Brutplätze im griechischen Mittelmeer. Hunderte von Caretta caretta kommen zwischen Mai und Ende August an die kretischen Strände, an denen sie auch geboren wurden, um Eier zu legen.

Tim adoptiert ein Schildkrötenbaby, um das sich Archelon (www.archelon.gr) kümmern wird. Er tauft sie Emma. Statt (überflüßiger) Fußballtrikots Spende für diesen guten Zweck, bravo Tim! Möge Emma ihm viele Enkel schenken.

Stolzer Papa

Canan und Tim besuchen das Archäologische Museum. Anschließend gönnt Tim sich und seinen geschundenen Matrosenfüßen was.

Es kitzelt...



Am Mittwoch, 24., leihen wir uns ein Gefährt, das in seinem früheren Leben wahrscheinlich ein Auto war.  Mit der Klapperkiste machen wir einen Ausflug über die östlich von Chania gelegene Halbinsel AKROTIRI. Vorbei an Souda, Marinestützpunkt und Raketenbasis, quält sich unser Vehikel über enge Serpentinen mit röhrendem Auspuff in die über 500 m hohen Berge zum Kloster AGIA TRIADA. Aus dem 17. Jahrhundert, bewohnt von 7 orthodoxen Mönchen. Beeindruckend schön. Interessant auch die Ausstellung von bis zu 900 Jahren alten Pergamenten, Handschriften, Gewändern Ikonen etc..








Vom nahegelegenen Kloster GUVERNETU aus wandern wir einen steilen Felspfad hinunter zum verfallenen Kloster Katholiko und der Tropfsteinhöhle JERO SPILEO.




Nach der anstrengenden Wanderung gönnen wir uns Abkühlung am schönen Sandstrand von KALIVES, bevor wir die Rückfahrt über APTERA (Ausgrabungsstätte und türkische Burg), durch zauberhafte Küstenorte und urige Bergdörfer antreten.

Burg KOULES




Am Abend finden wir die Taverne "Schwarzes Schaf" (Odos Epimenidou 19). Riiieesenportionen, sehr preiswert, sehr gut. Bereits nach 4 Mezes, darunter ein Teller gebratene Leber, für den sicher 150 Hühner ihr Leben lassen mußten, geben wir auf, sonst platzen wir. Inkl. Wein und Getränke für uns 3: 31,- Euro. Wir kommen wieder...

Chania:

BMW Oldtimer





Seit heute morgen haben wir neue Bootsnachbarn. Man ist ja gern unter Seinesgleichen.  (-:

 Canan fragt gleich, ob George Clooney an Bord sei. Ist er nicht. )-:

Die "Ocean Pearl" kann man chartern - 130.000 EURO die Woche.

http://www.jameslist.de/advert/89991/for-rent-charter-rodriquez-ocean-pearl


Ich beschäftige mich mit dem Wetter. Vor Samstagnachmittag werden wir wohl nicht Richtung MALTA ablegen können. (Auf der Karte, Prognose für morgen, ist Kreta die große Insel unten, wir sind links oben auf der Insel und müßten da durch, wo's dunkelrot ist. 4-5 m Wellen wahrscheinlich, nein Danke schön.)


Am Donnerstagmorgen läuft eine französische Yacht ein, ich helfe beim Festmachen. Der Eigner, Jean-Louis, ist sehr nett, im Ruhestand, segelt mit seiner Lebensgefährtin Cecilie 6 Monate im Jahr. Sie kommen aus Gramvousa, einer Bucht mit Südseecharakter im Nordwesten Kretas'. Sie lagen dort, wegen Starkwindes und Seegang (!), 7 Tage vor Anker. Auch unsere Nachbarn Fritz und Elisabeth, Schweizer auf ihrem Katamaran, seit 4 Jahren im Mittelmeer segelnd, warten schon mehr als 7 Tage in Chania auf annehmbares Wetter für die Passage zum Peleponnes. Es gibt schlimmere Formen der "Gefangenschaft", oder? Segler brauchen Geduld... und handwerkliches Geschick. Jean-Louis verbringt den Tag damit, ein Leck im Frischwassertank zu finden und zu reparieren.

Am Abend gesellt sich die "Fire Lady" (Zitat Tim) auf eine Tasse Rotwein zu uns an Bord. Cory, 24 Jahre jung, Amerikanerin, Jongleuse und Tänzerin. Jeden Abend präsentiert sie auf der Hafenmole ihre ansprechende Tanzshow. Wir, und das übrige Publikum, applaudieren begeistert und werfen mit Freude 1,2 Euro in ihren Hut. Cory fliegt am Samstag nach Athen, dann nach Barcelona, um von dort aus "irgendwie" über Kroatien nach Kuba und Argentinien, dort will sie eine Zirkusschule besuchen, zu gelangen. Freiheit ... und die Einnahmen aus dem Hut sind gar nicht übel.

Fire Lady

Per Bus fahren wir nach RETHIMNON (1 Stunde, 6,20 Euro ow), die Küstenstrasse entlang den schönen Sandstränden der Region. Rethimnon ist eine Stadt (ca. 30.000 Einwohner) wie aus dem Bilderbuch. Die Gassen der Altstadt noch ein bißchen enger, bunter und romantischer als in Chania, die palmengesäumte Promenade entlang des Hafens und der kleinen Marina erinnert an die Cote d'Azur.  Und die shops....
Auf einem Hügel über der Stadt thront die mächtige Festung "Fortezza", Grundsteinlegung durch die Venezianer 1573, umgebaut durch die Türken in der Zeit nach der Eroberung Rethimnons' im Jahre 1646 bis zum Ende der osmanischen Herrschaft im Jahr 1897.
Wir sind begeistert, diese Stadt ist einzigartig.


Koschinsky auf Reisen





Was macht das Wetter? Soeben kommt über NAVTEX eine Sturmwarnung für das Seegebiet, das wir passieren wollen auf dem Weg nach Malta. Schaunmerma - ich schenke mir einen Ouzo ein.
Unseren netten Schweizern nebenan gebe ich die Info weiter, sie werden dann wohl doch nicht, wie geplant, Samstag in der Frühe lossegeln.

Wir planen Leinen los nach wie vor für den heutigen (Sa.) späten Nachmittag. Ausgecheckt haben wir; der Liegeplatz hat 6,02 EURO/Tag gekostet, zzgl. total 10,- EURO für Strom und Wasser.

Die Überfahrt nach MALTA - MARSAXXLOKK ist auf kürzester Distanz 465 Seemeilen lang. Ich rechne jedoch mit deutlich über 500 Seemeilen, Ankunft am Donnerstagmorgen.