Sonntag, 20. November 2011

Atlantik-Überfahrt nach Lanzarote 16.11.-21.11.2011

Am Mittwoch, 16.11., um 08.10h heißt es Leinen los in La Linea. Schnell noch billig tanken in Gibraltar, dann hinaus in die Straße, Kurs Atlantik und Lanzarote. Wir haben Abfahrtzeit und Route, unter Berücksichtigung der vorherrschenden Strömung und des Gezeitenstroms, gut und richtig geplant. Kaum gegenan, überwiegend geht’s mit dem Strom und 7.5 Knoten westlich hinaus, wo wir dann schließlich Kurs Südwest auf Lanzarote setzen.


Bis Donnerstagabend haben wir nördliche, leichte Winde, motoren und segeln wechseln sich ab, das Wetter ist schön. Tim könnte bei diesen Bedingungen eigentlich Schule und Unterricht machen, aber bereits unsere Andeutung diesbezüglich scheint bei ihm sofort Symptome von Seekrankheit auszulösen. Nun, wir bestehen nicht darauf.


Ein Thunfisch-Fang sorgt für Abwechslung. Meister Thun hat Glück, das Mitleid der Damen und Kinder schenkt ihm die Freiheit zurück.




In Nähe der marokkanische Küste ist den Fischern große Aufmerksamkeit zu widmen. Kilometerlang ihre Treibnetze, kaum beleuchtet bei Nacht. Zweimal sind abrupte Stopps und Ausweichmanöver notwendig, ich fluche laut.
 

Freitag legt der Seegang zu. Die Wellen sind jetzt 3-4 m hoch. Dieser Schwell ist während schwerer Stürme in nördlicheren Breiten entstanden und rollt nun südostwärts. „Sanfte Riesen“ nenne ich diese Wellen, es macht Spaß, Schaukelpferd-Segeln, lange Bahnen über Berg und Tal. Auch Tim, sonst kein Freund hoher Wellen, „liebt den Atlantik“, nachdem ich ihm mehrfach versichert habe, dass diese Wellen „lieb“ sind.


Tim’s Liebe zum Atlantik relativiert sich etwas am Samstag. Morgens noch Windstärke 7 aus Nord-Nordwest, dreht er dann in gleicher Stärke für einige Stunden auf Süd-Südwest. Die See wird „kabbelig“, da Wellenrichtung und Windrichtung nicht mehr übereinstimmen. Tim erwischt nun wirklich die Seekrankheit, die er aber mit Bravour und großer Contenance wegsteckt. Kein Jammern und Klagen, gleich nach dem Eimer wieder den Nintendo oder das Buch in der Hand.


Der Südwestwind lässt uns motoren. Am Nachmittag plötzlich Ruhe, Motorausfall. Vor 2 Jahren noch wäre Canan vermutlich in Ohnmacht gefallen oder hätte die Küstenwache rufen wollen. Nichts davon. Wir setzen Segel, Canan putzt Fenster (es ist Sturm in Stärke 8), Tim singt Lieder („Blau und Weiß ein Leben lang…“), Sock wechselt Kraftstofffilter und entlüftet den Motor, nach 30 Minuten ist der Defekt behoben.

Videos, gedreht bei ruhigem Wetter (sonst war's zu nass und schaukelig):

Kleine Frau auf großem Ozean

Entspannte Berg- und Talfahrt

Samstag ist auch Zootag. Mehrfach sichten wir Delphine, neugierig umkreisen sie häufig unser Boot und bieten ein bisschen Show mit ihren Sprüngen. Ein kleiner Vogel beehrt uns, um sich für kurze Zeit auszuruhen. Schildkröten treiben in der rauen See an uns vorbei, allein sind sie, aber doch alle auf einem gemeinsamen, höher bestimmten Weg. Dann der Höhepunkt und Premiere für uns – Wale.
Eine Schule von 8 Grindwalen (auch Pilotwal genannt) zieht gemächlich an uns vorbei. Ihnen fehlt die Neugierde und Lebhaftigkeit der Delphine, aber sie beindrucken uns sehr. Das Sozialgefüge der Schulen ist hoch entwickelt und die Angehörigen der Gruppe folgen immer einem Leittier (daher der Name Pilotwal), meistens einem dominanten Männchen.






Samstagabend haben wir wieder nordwestliche Winde, dies sollte bis zum Ende der Reise so bleiben. Die Windstärken variieren, Starkwind und Sturm, meist zwischen 6 und 8 liegen sie. Wir segeln in Reffstufe 2 (= mit verkleinerter Segelfläche). Zahlreiche Schauerfronten kreuzen unsere Route, die Wellen sind nun 4 bis 6 Meter hoch. Dennoch – wir genießen die Fahrt. Dank übrigens unserem Freund Stefan in Hamm, der uns per e-mail mit Wettervorhersagen versorgt hat!

Die Schauerfronten, die stets Zunahme der Windstärke und Böen bedeuten, sind auf dem Radar gut auszumachen, Zugrichtung und –geschwindigkeit lassen sich ableiten. Schnell ziehen sie, mit ca. 30,40 Knoten, da bleibt nicht viel Reaktionszeit. Erwischten uns unvermeidbar einzelne Fronten, so konnten die Böen, die bislang mit 40-45 Knoten (= 80 km/h) reinknatterten, durch Ausrauschen des Travellers nach Lee pariert werden (Nichtsegler – alles klar?). Kurz vor 22.00h wieder eine Front. Der Wind nimmt zu, Windstärke 9, ich lasse in gewohnter Manier den Traveller ausrauschen (diese Maßnahme vermindert den Druck im Großsegel).

Doch dann fällt eine Bö in bisher nicht erfahrener Stärke über uns her. Lime Light legt sich vehement auf die Seite, ich höre wie Canan und Tim unter Deck mitsamt Matratze aus der Koje katapultiert werden. Die Wucht dieses Überfalls lässt auch mich von der Cockpitbank fallen. Ich reiße die Großschot los, so dass das Großsegel keine Angriffsfläche mehr bietet. Trotzdem – mit enormer Krängung rast Lime Light auf Halbwindkurs durch die hohen Wellen und stockfinstere Nacht, Formel 1- feeling. Fasziniert betrachte ich Windmesser und Geschwindigkeitsanzeige – mit losgeworfenen Segeln 9 Knoten Fahrt, die Windstärke ist bei 70 Knoten (= Orkan, 130 km/h). 2 Minuten etwa dauert der wilde Ritt, wow!

Ok, Atlantik, Lektion erteilt, Lektion verstanden. Solange Schauerfronten wie an der Perlenkette gereiht unsere Bahn kreuzen, motoren wir, Safety first. Erst am späten Vormittag des Sonntages nimmt die Häufigkeit ab, wir setzen wieder Segel. Von nun an geht es, in 2. Reffstufe, mit 7-9 Knoten Fahrt bei Windstärke 6 bis 8 unserem Ziel Lanzarote entgegen.
 

Gut ist das Gefühl, als die Insel am Horizont auszumachen ist, wir spielen „Africa“ von Toto. Auf der Ostseite Lanzarotes‘ nimmt die Wellenhöhe dann ab, es ist, vom Wind abgesehen, auf einmal himmlisch ruhig. Ungewohntes Gefühl.

Ungewohnt ist auch der erste Landgang, den wir um 00.20h am Montag nach dem Festmachen an der Gästemole der Marina PUERTO CALERO auf LANZAROTE machen. Seemannsgang, hi, alles schwankt.


Diese Atlantikpassage von 703 Seemeilen, 112 Stunden, hat richtig Spaß gemacht, ein seglerisches Highlight. Das Einlaufbier ist eines der besten, dass wir je hatten. Das Ausschlafen danach haben wir uns alle redlich verdient.




1 Kommentar:

  1. Hi Ihr Drei,

    bei dem Seegang bräuchte ich ganz viel Tabletten.... Ansonsten würde ich mindestens 5 Kilo abnehmen bei einer solchen Überfahrt.

    Gruß
    Volker

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